Rechtsprechung für den BR

Können Betriebsferien angeordnet werden?

Auch im Zusammenhang mit der aktuellen Pandemie stellt sich die Fragen, ob der Chef einseitig Betriebsferien anordnen darf. Wenn es einen Betriebsrat gibt, ist die Antwort eindeutig: Nein. Eine Anordnung von Urlaub wegen der Betriebsferien kann nur mit Zustimmung des Betriebsrates erfolgen (§ 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG). Aber auch sonst gilt: Continue reading “Können Betriebsferien angeordnet werden?”

Sozialauswahl

Sozialauswahl und Ehegatten

Da im Insolvenzfall diese Sozialauswahl verbindlich mit dem Betriebsrat gemeinsam aufgestellt wird, besteht hier eine hohe Verantwortung. Der Gesetzgeber unterstellt, der Betriebsrat werde seiner Verantwortung gegenüber den vom ihm repräsentierten Arbeitnehmern gerecht und nur unvermeidbaren Entlassungen zustimmen sowie solchen bei denen soziale Gesichtspunkte ausreichend berücksichtigt sind. Aber auch die Unterhaltspflicht für Ehegatten dürfe nicht “vergessen” werden. Aus der ehelichen Solidarität schulden sich Ehegatten untereinander Unterhalt. Dies setzt weder eine Bedürftigkeit, noch die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners (hier: des verpflichteten Ehegatten) voraus – § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB. Jeder Ehegatte schuldet dem anderen Gatten Unterhalt, auch wenn dieser vermögend ist und in der Lage, sich selbst zu unterhalten. Im konkreten Fall entschied deshalb das BAG die Auswahlrichtlinie für rechtswidrig.

Sachverständiger für Betriebsrat

Beratung Betriebsrat (Sachverständige)

Auch der Bundesgerichtshof sieht Notwendigkeit der Beratung
Bisher waren Fragen, die den Anspruch des Betriebsrates auf Sachverständigen-Beratung betreffen, lediglich vom Bundesarbeitsgericht (BAG) behandelt worden. Erstmals hat sich jetzt auch der Bundesgerichtshof (BGH) mit dieser Frage beschäftigen müssen. Der Fall: Weil das Unternehmen verschiedene Umstrukturierungsmaßnahmen plante, beschloss der Betriebsrat aus einem Betrieb mit mehr als 300 Arbeitnehmern, sich betriebswirtschaftlich beraten zu lassen. Weil schließlich Kosten von (stolzen) rd. € 86.000 entstanden waren, kam es zum Streit. Das Landgericht meinte nur lapidar, die Klage sei “unnütz und schlechthin sinnlos”. Das sah der Bundesgerichtshof anders.
Ausdrücklich stellte der BGH jetzt fest:
“Die Grenzen des dem Betriebsrat bei der Beurteilung der Erforderlichkeit der Beratung zustehen-den Spielraums sind im Interesse seiner Funktions- und Handlungsfähigkeit nicht zu eng zu ziehen.” Allerdings meinte der BGH auch, ein Kostenerstattungs- und Freistellungsanspruch gegen den Arbeitgeber gem. § 40 Abs. 1 BetrVG bestehe nur, wenn “das versprochene Entgelt marktüblich ist”. Über diese Grenze hinaus, könne auch kein Erstattungsanspruch bestehen, da der Betriebsrat im Übrigen vermögenslos sei. Dann ist der “überschießende” Teil der Vergütung unwirksam.
Fazit: Der Fall verwundert schon deshalb, weil offensichtlich keine “vorherige Vereinbarung” mit dem Arbeitgeber (nach § 80 Abs. 3) getroffen wurde. Dies hätte nicht nur den Ärger, sondern auch eine mögliche negative Gerichtsentscheidung erspart. Inzwischen hat allerdings (nach Zurückverweisung) das LG Frankfurt auch den Erstattungsanspruch anerkannt. Hinweis: Durch die Neuregelung in § 111 BetrVG, in Betrieben mit mehr als 300 Arbeitnehmer selbständig über den Beraterbeauftragung entscheiden zu können, sollte die Klärung (sicherheitshalber) vorher erfolgen.

Haftung des Betriebsrates?

In einigen Medien wurde die vorgenannte Entscheidung übrigens mit der Überschrift kommentiert, “Der Betriebsrat und seine Mitglieder haften für die Beauftragung eines Beraters”. Das ist natürlich Unsinn, wenn man in die Gründe der Entscheidung schaut, die ausdrücklich auf die Notwendigkeit der Beratung abstellen.

Quartalsberichte

Quartalsberichte – vorherige Abstimmung mit BR und Wirtschaftsausschuss

Nach der gesetzlichen Regelung in § 110 Abs.1 BetrVG hat der Unternehmer die Belegschaft mindestens vierteljährlich über die wirtschaftliche Lage und die Entwicklung des Unternehmens zu informieren (Quartalsberichte). Wichtig dabei: Das Gesetz sieht ausdrücklich eine vorherige Abstimmung mit dem Betriebsrat und Wirtschaftsausschuss vor. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat jetzt klargestellt, wie der Ablauf sein muss. Der Unternehmer muss dem BR und WiA zunächst einen Entwurf des Quartalsberichts zuleiten. Diese haben die Möglichkeit zur Stellungnahme, bei der sie Änderungen des Berichts vorschlagen können. Hierzu gehört auch die Aufnahme von bisher im Entwurf nicht enthaltenen Angaben. Der Unternehmer hat sich mit den Einwänden der Arbeitnehmervertretungen auseinanderzusetzen und diese bei der endgültigen Fassung des Berichts zu bedenken. Unterbleibt eine Unterrichtung nach § 110 Abs. 1 BetrVG oder werden die Arbeitnehmervertretungen nicht vor der Unterrichtung ordnungsgemäß beteiligt, können diese unter den Voraussetzungen des § 23 Abs. 3 BetrVG gegen den Unternehmer vorgehen (BAG v. 14. Mai 2013, Az.: 1 ABR 4/12).

Mitarbeiterbefragung

Mitarbeiterbefragung durch Betriebsrat zulässig

Mitarbeiterbefragungen kann der Betriebsrat selbständig durchführen, wenn dadurch der Betriebsablauf oder der Betriebsfrieden nicht gestört werden. Das hat das Arbeitsgericht Berlin in einem Fall entschieden, in dem der Arbeitgeber per Einstweiliger Verfügung eine solche Befragung verbieten lassen wollte. Der Betriebsrat hat die Mitarbeiter darauf hingewiesen, dass die Umfrage freiwillig und anonym ist und der Fragebogen außerhalb der Arbeitszeit ausgefüllt werden muss. (ArbG Berlin v. 24.10.2007 – 77 BVGa 16633/07; AiB 2008, 424)

Lohn- und Gehaltslisten

Lohn- und Gehaltslisten – Arbeitnehmer müssen Einblick dulden

“Das Einblicksrecht des Betriebsrats in die Bruttolohn- und -gehaltslisten verstößt weder gegen deutsches noch gegen Unionsdatenschutzrecht, auch wenn ein Teil der Arbeitnehmer der Einsicht in ihre Unterlagen widersprochen hat.” Das hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen mit Beschluss vom 18.04.2012 (Az.: 16 TaBV 39/11) festgestellt. In dem Fall gelten in einer Klinik mehrere Haustarifverträge. Ein Teil der Arbeitnehmer wird außertariflich vergütet, teilweise unter Beteiligung am ärztlichen Liquidationserlös. Der Betriebsrat verlangte die Einsichtnahme in die Bruttolohn- und -gehaltslisten inklusive sämtlicher Lohnbestandteile. Der Arbeitgeber hat darauf verwiesen, dass – unstreitig – fast die Hälfte der Arbeitnehmer der Einsichtnahme in ihre Lohnunterlagen widersprochen habe. Im Übrigen verstoße das Einblicksrecht gegen deutsches- und Unionsdatenschutzrecht. Das sahen die Richter anders.

Überwachungspflicht geht vor

“Der Betriebsrat hat ein Einblicksrecht, weil es zur Durchführung seiner Aufgaben erforderlich ist. Zum einen ergibt es sich aus der Überwachungspflicht, dass die Tarifverträge und der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz eingehalten werden. Zum anderen ergibt es sich aus dem Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der betrieblichen Lohngestaltung (§ 87 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 BetrVG). Das gilt auch bezüglich der über- und außertariflichen Lohnbestandteile sowie der Beteiligung an den Liquidationserlösen. Nur wenn der Betriebsrat diese kennt, kann er einschätzen, ob er im Rahmen des § 87 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 BetrVG initiativ werden soll. Daran ändert auch der Widerspruch einiger Arbeitnehmer nichts, so die Richter weiter. Das Einblicksrecht steht besteht unabhängig vom Einverständnis, andernfalls könnte der Betriebsrat seine Aufgaben nicht wahrnehmen.

BDSG steht nicht dagegen

Dem Einblicksrecht stehen die Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) nicht entgegen. Das ergibt sich bereits aus seiner Subsidiarität (§ 1 Abs. 3 Satz 1 BDSG) gegenüber § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 BetrVG. Aber auch datenschutzrechtlich stellt die Einblicksgewährung kein Geheimnisverrat im Sinne des § 5 BDSG dar. Denn der Betriebsrat ist im Rahmen seiner Befugnisse kein Dritter im Sinne des § 3 Abs. 8 Satz 2 BDSG, sondern Teil der verarbeitenden Stelle (§ 3 Abs. 7 BDSG), also des Arbeitgebers. Dieser ist jedoch zur Verarbeitung der Daten befugt.
Aus den gleichen Erwägungen verstößt das Einblicksrecht nicht gegen die Richtlinie 95/46/EG (RL). Auch hier ist der Betriebsrat ist im Rahmen seiner gesetzlichen Befugnisse nicht Dritter im Sinne des Art. 2 f RL

Gleichbehandlung

Gleichbehandlung – Beschwerdestelle nach AGG

“Der Betriebsrat hat mitzubestimmen bei der Einführung und Ausgestaltung des Verfahrens, in dem Arbeitnehmer ihr Beschwerderecht nach dem AGG wahrnehmen können.” Dies hat das Bundesarbeitsgericht grundsätzlich festgestellt. Es geht darum, dass der Arbeitgeber nach § 12 Abs. 5 AGG die für Beschwerden zuständige Stelle im Betrieb bekannt machen muss. Die Beachtung eines bestimmten Verfahrens, um sich zu beschweren, ist allerdings nicht vorgeschrieben.

Mitbestimmung bei Einführung und Ausgestaltung

Die Einführung und Ausgestaltung fällt aber nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG unter die Mitbestimmung des Betriebsrates. Das BAG hierzu: “Der Betriebsrat kann zu diesem Zweck selbst initiativ werden und ein Beschwerde-verfahren über eine Einigungsstelle durchsetzen. Dagegen hat er kein Mitbestimmungsrecht bei der Frage, wo der Arbeitgeber die Beschwerdestelle einrichtet und wie er diese personell besetzt. Hierbei handelt es sich um mitbestimmungsfreie organisatorische Entscheidungen. Errichtet der Arbeitgeber eine überbetriebliche Beschwerdestelle, steht das Mitbestimmungsrecht beim Beschwerdeverfahren nicht dem örtlichen Betriebsrat, sondern dem Gesamtbetriebsrat zu.”
Mit dieser Entscheidung ist also geklärt, dass die Beschwerdestelle “überbetrieblich”, z.B. in der Zentrale angesiedelt werden kann – dann steht dem GBR das Mitbestimmungsrecht zu. Das gesamte Verfahren, wie Beschwerden “abgehandelt” und welche Konsequenzen ggf. gezogen werden, ist dagegen insgesamt mitbestimmungspflichtig. (Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 21. Juli 2009 – 1 ABR 42/08)

Fachzeitschriften

Fachzeitschriften – Anspruch des BR

Auch wenn der Betriebsrat einen unbeschränkten Internetzugang hat, besteht daneben Anspruch darauf, einschlägige Fachzeitschriften (z.B. “Arbeitsrecht im Betrieb”) zu beziehen. Das hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg in einer Entscheidung vom 25.09.2013 betont.
In dem Betrieb mit 235 Beschäftigten (im Konzern sind es ca. 1.000) war Streit zwischen Geschäftsführung und Betriebsrat darüber entbrannt, ob dem BR regelmäßig die Zeitschriften Arbeitsrecht im Betrieb (AiB) und Arbeit und Recht (AuR) aus dem BUND-Verlag als Informationsmittel für seine Tätigkeit zur Verfügung zu stellen sind. Das Gericht stellte zunächst klar: “Dem Betriebsrat obliegt die Prüfung, ob ein von ihm verlangtes Sachmittel oder die von ihm verlangte Informations- und Kommunikationstechnik zur Erledigung von Betriebsratsaufgaben erforderlich ist und vom Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen ist.” Dabei sind die Interessen der Belegschaft und die Begrenzung der Kostentragungspflicht für den Arbeitgeber abzuwägen. Den Zeitschriftenbezug erkannte das Gericht mit der Begründung an: “Neben arbeitsrechtlichen Gesetzen und den entsprechenden Kommentaren jedenfalls zum BetrVG, sind auch Zeitschriften zur Aufgabenerfüllung dienlich, die geeignet sind, dem Betriebsrat die für seine Tätigkeiten notwendigen Informationen zu vermitteln. Die dem Betriebsrat obliegenden Aufgaben lassen sich sachgerecht nur durch laufende und aktuelle Unterrichtung über die mit den Aufgaben und Problemstellungen zusammenhängenden arbeits- und sozialrechtlichen Entwicklungen in Rechtsprechung und Gesetzgebung sowie insbesondere Erkenntnissen über mögliche Handlungsspielräume bei der Wahrnehmung der Aufgaben nach dem Betriebsverfassungsgesetz lösen.” Da der Arbeitgeber das Stichwort “Waffengleichheit” eingeführt hatte, stellte das Gericht klar: “Das Ausstattungsniveau des Arbeitgebers hat keinen Einfluss auf die Notwendigkeit der Sachmittel für den Betriebsrat. Es gibt keine Waffengleichheit nach unten.” Allerdings wurde der Bezug der AuR abgelehnt, nach dem Motto: Eine Zeitschrift reicht doch wohl.
Das Bundesarbeitsgericht hat übrigens diese Entscheidung bestätigt mit dem Hinweis, das Internet liefere nur “unstrukturierte” Informationen (BAG 7. Senat v. 19.03.2014 – 7 ABN 91/13).

Betriebsratsarbeit Arbeitszeit

Betriebsratsarbeit und Arbeitszeit – der Streit geht weiter….

Wie das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen meint, kann BR-Arbeit nicht unter den Arbeitszeitbegriff des Arbeitszeitgesetzes fallen. Mit einer ‘vermittelnde’ Lösung wird allerdings anerkannt, dass die 8- bzw. 10-Stunden-Grenze zu beachten ist. In dem Fall hatte eine Betriebsrätin zunächst ab 08:00 Uhr (bis ca. 15:00 Uhr) eine BR-Sitzung besucht und war für die anschließende Spätschicht bis 20:15 Uhr disponiert. Sie verließ allerdings um 17:36 Uhr ihren Arbeitsplatz, so dass die Schichtleiterin vermerkte: “kein Freizeitausgleich”. Im Beschlussverfahren beantragte der BR nun festzustellen, dass die Arbeitgeberin nicht berechtigt ist, von Betriebsratsmitgliedern und Ersatzmitgliedern Arbeitsleistungen vor oder im Anschluss an ganz oder zum Teil außerhalb der disponierten Arbeitszeit stattfindenden Betriebsratssitzungen zu verlangen, wenn dadurch die 8- bzw. 10-Stunden-Grenze überschritten wird. Der Arbeitgeber meinte, der Betriebsrat habe es selbst in der Hand, die zeitliche Lage seiner Sitzung so zu verändern, dass die von ihm gerügte Überbeanspruchung der Betriebsratsmitglieder vermieden wird. Das LAG lehnte den Antrag ab und verwies darauf, BR-Arbeit sei keine Arbeitszeit nach § 2 ArbZG. Anerkannt wurde allerdings eine vermittelnde Lösung (wie schon vom BAG im Jahr 1989). Danach hat ein BR-Mitglied Anspruch auf bezahlte Freistellung nach § 37 Abs. 2 BetrVG, wenn es unmöglich oder unzumutbar ist, die vor oder nach der Betriebsratssitzung liegende Arbeitszeit einzuhalten. “Eine Unzumutbarkeit liegt”, so das LAG, “in der Regel dann vor, wenn bei Zusammenrechnung der für die Betriebsratstätigkeit aufgewendeten Zeiten mit den persönlichen Arbeitszeiten die werktägliche Höchstarbeitszeit nach § 3 ArbZG überschritten werden würde.” Allerdings wird auch darauf verwiesen, dass eine ‘geringfügige Überschreitung’ möglich ist, wenn die Zeiten der Betriebsratstätigkeit “von geringer Intensität oder von erheblichen Beratungspausen unterbrochen sind oder wenn die im Anschluss noch zu erbringende betriebliche Tätigkeit aufgrund einer Notlage des Arbeitgebers (z.B. Personalengpass aufgrund eines unerwartet hohen Krankenstandes) noch dringend erforderlich ist”. (LAG Niedersachsen vom 20.04.2015; Rechtsbeschwerde zugelassen) Anmerkung: Ohne dem konkreten (Global-)Antrag zu folgen bestätigt das Gericht damit die Notwendigkeit der Verkürzung der persönlichen Arbeitszeit, wenn BR-Arbeit anfällt. Erst vor kurzem hatte auch das LAG Hamm anerkannt, dass die 11stündige Ruhezeit einzuhalten ist, wenn eine BR-Sitzung ansteht.

Auswahlrichtlinien

Auswahlrichtlinie – Ehegatten und Kinder immer berücksichtigen

Bei der Sozialauswahl sind Unterhaltsverpflichtungen zu berücksichtigen, also auch die gegenüber dem Ehepartner und den Kindern. Dass hierbei häufig Fehler passieren, zeigt ein Fall, der vom Bundesarbeitsgericht zu entscheiden war. Nach § 1 Abs. 3 KSchG sind bei betriebsbedingten Kündigungen auch soziale Kriterien zu berücksichtigen. Neben dem Lebensalter und der Zugehörigkeit gehören hierzu hauptsächlich die Unterhaltsverpflichtungen. Solche bestehen gegenüber Ehegatten (§ 1360 BGB – Verpflichtung zum Familienunterhalt) und natürlich gegenüber Kindern. In dem Fall ging es jetzt darum, dass eine Tochter nicht auf der Lohnsteuerkarte eingetragen war. Das BAG erklärte, auf diesen Umstand kann es nicht ankommen, da z.B. Kinder mit unterschiedlichen Zählern auf der Lohnsteuerkarte verzeichnet sein können (also etwa 0,5, obwohl natürlich die volle Unterhaltspflicht besteht). Entscheidend sei die tatsächlich bestehende Unterhaltspflicht (BAG Urteil v. 28.06.2012 – 6 AZR 682/10).

Sozialauswahl und Ehegatten

Da im Insolvenzfall diese Sozialauswahl verbindlich mit dem Betriebsrat gemeinsam aufgestellt wird, besteht hier eine hohe Verantwortung. Der Gesetzgeber unterstellt, der Betriebsrat werde seiner Verantwortung gegenüber den vom ihm repräsentierten Arbeitnehmern gerecht und nur unvermeidbaren Entlassungen zustimmen sowie solchen bei denen soziale Gesichtspunkte ausreichend berücksichtigt sind. Aber auch die Unterhaltspflicht für Ehegatten dürfe nicht “vergessen” werden. Aus der ehelichen Solidarität schulden sich Ehegatten untereinander Unterhalt. Dies setzt weder eine Bedürftigkeit, noch die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners (hier: des verpflichteten Ehegatten) voraus – § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB. Jeder Ehegatte schuldet dem anderen Gatten Unterhalt, auch wenn dieser vermögend ist und in der Lage, sich selbst zu unterhalten. Im konkreten Fall entschied deshalb das BAG die Auswahlrichtlinie für rechtswidrig.