Beurteilung

Beurteilung – 360° Beurteilungsgespräche sind mitbestimmungspflichtig

In einem Metallbetrieb war gemeinsam mit dem Betriebsrat die Einführung von Mitarbeiterjahresgesprächen vereinbart worden. Die Gespräche sollten mit sämtlichen Mitarbeitern an Hand eines festgelegten Beurteilungskatalogs geführt werden. In der BV ist geregelt, dass die Ergebnisse der Mitarbeitergespräche keinen Einfluss auf das Entgelt des Mitarbeiters haben, Vertraulichkeit besteht und die ausgefüllten Formblätter als Datei in einem separaten Verzeichnis gespeichert werden, auf das niemand, außer einer Person im Personalwesen zur Kontrolle der Vollständigkeit, Zugriff hat. Eine Mitarbeiterin wandte sich trotzdem dagegen, mit der Begründung, solche Gespräche seien mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht unvereinbar.

Ordnungsverhalten ist mitbestimmungspflichtig

Das Gericht stellte zunächst fest, dass die Einführung von Mitarbeiterjahresgesprächen nach einem formalisierten Beurteilungskatalog nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtig ist, weil sie das Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer im Betrieb betreffen. Mitbestimmungsfrei nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG seien lediglich Maßnahmen, die das Arbeitsverhalten regeln sollen. Dieses ist berührt, wenn der Arbeitgeber kraft seiner Organisations- und Leitungsmacht näher bestimmt, welche Arbeiten auszuführen sind und in welcher Weise das geschehen soll. Alle Anordnungen dagegen, die dazu dienen, das sonstige Verhalten der Arbeitnehmer zu koordinieren, betreffen die Ordnung des Betriebs. Wenn also durch die Mitarbeiterjahresgespräche “nach einem vorgegebenen Beurteilungskatalog wechselseitig vom Mitarbeiter beziehungsweise seinem Vorgesetzten dessen Leistung und Verhalten einschließlich des Führungsverhaltens in einem offenen Dialog bewertet werden”, ist das Mitbestimmungsrecht zu beachten. “Durch die Verpflichtung der Klägerin, an den Mitarbeiterjahresgesprächen teilzunehmen und eine Bewertung ihrer eigenen Leistung und ihres Verhaltens sowie des Führungsverhaltens ihres Vorgesetzten vorzunehmen, wird ihre negative Meinungsfreiheit gleichwohl nicht beeinträchtigt”, so die Richter. “Die in dem Mitarbeiterjahresgespräch abzugebenden Beurteilungen sind für die erfolgreiche weitere Durchführung des Arbeitsverhältnisses geboten. Die Fragen beziehen sich ausschließlich auf die arbeitsvertragliche Tätigkeit. Zu einem Gespräch über ihre Arbeitsleistung ist die Klägerin bereits aufgrund arbeitsvertraglicher Nebenpflicht verpflichtet.” (Hessisches Landesarbeitsgericht vom 06.02.2012 – 16 Sa 1134/11)