Rechtsprechung für den BR

Stellenausschreibung

Stellenausschreibung, intern diskriminierungsfrei

Beschränkung von Stellenausschreibungen auf Berufsanfänger kann unzulässig sein
“Die Begrenzung einer internen Stellenausschreibung auf Arbeitnehmer im ersten Berufsjahr kann eine nach dem AGG unzulässige Altersdiskriminierung darstellen. Das gilt jedenfalls dann, wenn der beabsichtigte Einsatz von Berufsanfängern lediglich dazu dient, Kosten zu sparen. Gegen einen solchen groben Verstoß des Arbeitgebers gegen seine Pflicht zur diskriminierungsfreien Stellenausschreibung kann auch der Betriebsrat vorgehen.” Das hat das BAG jetzt entschieden.
Der Fall: Der Arbeitgeber betreibt eine Reihe von Drogerieketten. Er hatte interne Stellenausschreibungen im Jahr 2007 wiederholt mit der Angabe “Tarifgruppe … / erstes Berufsjahr” versehen. Die Mitarbeiterinnen des ersten Berufsjahrs des Arbeitsgebers sind durchschnittlich etwa 29 Jahre alt. Im zweiten Berufsjahr steigt das durchschnittliche Alter auf 36 Jahre an und beträgt ab dem dritten Berufsjahr durchschnittlich etwa 43 Jahre.

Betriebsrat widersprach der Besetzung

Der für den Betrieb R. gewählte Betriebsrat verlangte mit seinem Antrag von dem Arbeitgeber, in internen Stellenausschreibungen auf die Angabe des ersten Berufsjahres zu verzichten, da hierin eine mittelbare Diskriminierung wegen des Alters liege. Der Arbeitgeber vertrat dagegen die Auffassung, dass eine etwaige Ungleichbehandlung aufgrund des berechtigten Anliegens gerechtfertigt sei, durch den Einsatz von Berufsanfängern Kosten zu sparen. Nachdem das LAG anderer Meinung war, hatte der Betriebsrat vor dem BAG Erfolg.

Arbeitnehmer mit mehreren Berufsjahren typischerweise älter

Das BAG führt aus: Der Arbeitgeber muss bei internen Stellenausschreibungen auf die Angabe des ersten Berufsjahres verzichten. Eine solche Beschränkung kann grds. eine unzulässige mittelbare Benachteiligung wegen des Alters i.S.v. § 3 Abs. 2 AGG darstellen, da Arbeitnehmer mit mehreren Berufsjahren typischerweise älter sind als Berufsanfänger. Die Ungleichbehandlung kann allerdings gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitgeber damit ein rechtmäßiges Ziel verfolgt und die Maßnahme zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich ist.

Im Streitfall hat sich der Arbeitgeber zur Rechtfertigung auf Kostengründe und das knappe Personalbudget berufen. Da diese Begründung offensichtlich ungeeignet ist, eine Beschränkung des Bewerberkreises auf jüngere Beschäftigte zu rechtfertigen, hat der Arbeitgeber grob gegen seine Pflicht zur diskriminierungsfreien Stellenausschreibung gem. § 11 AGG verstoßen. Hiergegen konnte gem. § 17 Abs. 2 AGG der Betriebsrat vorgehen (BAG vom 18.8.2009, 1 ABR 47/08)

Pflicht zur innerbetrieblichen Stellenausschreibung – auch wenn “auf Anhieb” keine Bewerbungen

“Hat der Betriebsrat den Arbeitgeber nach § 93 BetrVG aufgefordert, sämtliche Stellen vor ihrer Besetzung innerbetrieblich auszuschreiben, ist der Arbeitgeber auch dann zur innerbetrieblichen Ausschreibung verpflichtet, wenn es höchstwahrscheinlich keine geeigneten innerbetrieblichen Bewerberinnen oder Bewerber gibt.” Dies hat jetzt LAG Berlin-Brandenburg erneut in einer Entscheidung festgestellt. In dem Berliner Fall war im Streit, ob der Betriebsrat der Einstellung einer befristeten Kraft mit dem Hinweis widersprechen konnte, dass keine innerbetriebliche Ausschreibung vorgenommen war. Der Arbeitgeber war der Meinung, eine Ausschreibung sei nicht erforderlich gewesen, da es innerhalb der Belegschaft keine geeigneten Bewerberinnen oder Bewerber gegeben habe. Der Arbeitgeber hielt sogar die Zustimmungsverweigerung für “rechtsmissbräuchlich”. Das Gericht sah es anders. Wenn der Betriebsrat eine interne Ausschreibung verlangt hatte, sei ein Verstoß dagegen ein absoluter Grund für die Zustimmungsverweigerung (§ 99 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG). Sinn und Zweck der innerbetrieblichen Ausschreibung sei schließlich, den innerbetrieblichen Arbeitsmarkt zu erschließen und im Betrieb selbst vorhandene Möglichkeiten des Personaleinsatzes zu aktivieren. Außerdem, so das Gericht, “sollen Verärgerung und Beunruhigungen der Belegschaft über die Hereinnahme Außenstehender trotz eines möglicherweise im Betrieb vorhandenen qualifizierten Angebots vermieden werden”. Ein Widerspruch des Betriebsrats sei auch nur in Fällen rechtsmissbräuchlich, in denen mit Sicherheit feststeht, dass kein Belegschaftsmitglied über die erforderliche Qualifikation verfügt oder niemand Interesse an der Stelle haben würde, und dies dem Betriebsrat auch bekannt ist (LAG Berlin-Brandenburg v. 05.09.2013 – Az.: 21 TaBV 843/13).

Streik in der Kita

Streik in der Kita – Heute komme ich nicht zur Arbeit

08.05.2015 – Der aktuelle Streik der Erzieher in kommunalen Kindertagesstätten kommt nicht überraschend, immerhin gute 48 Stunden vor Beginn wurde er angekündigt. Vielen berufstätigen Eltern mag das geholfen haben – anderen nicht. Wenn nun die sogenannten Notgruppen in den Kindertagesstätten nur eine geringe Anzahl an Plätzen aufweisen, die Organisation der Betreuung durch ein privates Netzwerk nicht verlässlich ist und die Großeltern weit weg wohnen, bedarf es eines neuen Planes. Denn der Arbeitgeber darf aufgrund der frühzeitigen Ankündigung eigentlich erwarten, dass sich die Eltern um eine alternative Betreuung bemühen. Ist dies nicht geglückt, muss ein Elternteil den Arbeitgeber unverzüglich – etwa telefonisch – informieren, dass er nicht zur Arbeit erscheinen kann. Unverzüglich heißt in diesem Fall: spätestens bis zum Arbeitsbeginn am betreffenden Tag. Das Kind zur Arbeit bringen – oder die Arbeit zum Kind. Denkbar ist es in vielen Berufen, das Kind mit zur Arbeit zu nehmen – dabei wird es jedoch auf die Tätigkeit der Eltern ankommen. Gern gesehen ist diese Variante überdies nicht, da die gleichzeitige Betreuung der Kinder sowohl die Eltern als auch andere Mitarbeiter von der Arbeit ablenkt. Insofern mag das Homeoffice für einige Berufstätige eine Variante sein – die Problematik der Betreuung stellt sich indes auch hier. Und auch hier ist die Abstimmung mit dem Arbeitgeber zwingend notwendig, denn er hat das Weisungsrecht gegenüber dem Arbeitnehmer nach § 106 Gewerbeordnung (GewO) und bestimmt damit auch, wo die Arbeitsleitung zu erbringen ist. Pragmatisch lassen sich auch Überstunden abbauen oder Minusstunden aufbauen oder Urlaub nehmen. Der Urlaub ist nach § 7 Bundesurlaubsgesetz (BurlG) rechtzeitig mit dem Arbeitgeber abzustimmen, die Dauer festzulegen und auf betriebliche Belange ist Rücksicht zu nehmen. So die Theorie. In der Praxis können die Eltern bei einem Streik weder die Rechtzeitigkeit der Mitteilung gewährleisten noch ist die Dauer der Abwesenheit von der Arbeit absehbar. Ärgerlich, aber halb so schlimm Dennoch, so ärgerlich die kurzfristige Verhinderung bei der Arbeit sein mag.

Arbeitgeber muss Gehalt fortzahlen

Wer jetzt zur Betreuung seiner Kinder im Kindergartenalter zu Hause bleibt, hat– wenn er den Arbeitgeber informiert – zumindest keine dramatischen Folgen zu befürchten. Denn zum einen gibt es weiter Geld: Nach § 616 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) hat bei einer so genannten vorübergehenden Verhinderung eine Lohnfortzahlung zu erfolgen. Eine solche vorübergehende Verhinderung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer “für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird”, heißt es im Gesetz. Dies gilt aus Gründen der Humanität und sozialpolitischen Rücksichtnahme auch bei einer Arbeitsverhinderung im Streikfall aus mangelnder alternativer Betreuung der Kinder (Bundesarbeitsgericht, Beschl. v. 18.12.1959, Az. GS 8/58) In der Regel gelten nur wenige Arbeitstage als ein angemessener Zeitraum für eine Freistellung der Arbeitnehmer unter Entgeltfortzahlung in diesem Fall. Dennoch sollten die Arbeitnehmer auf die betrieblichen Gepflogenheiten und die Regelungen in ihrem Arbeitsvertrag achten: Es könnten wirksame andere Regelungen getroffen sein, die von der gesetzlichen Vorschrift abweichen, und zwar als individuelle Abreden auch dann, wenn die gesetzlichen Regelungen für den Arbeitnehmer günstiger wären. (Autoren: Babette Kusche und Carsten Lienau; in: Legal Tribune Online)

Tätigkeitsbeschreibung

Tätigkeitsbeschreibung – Betriebsrat hinzuziehen

Im Betriebsverfassungsgesetz gibt es eine klare Regel: Jeder Arbeitnehmer kann ein Betriebsrat Mitglied hinzuziehen, wenn die Leistung beurteilt oder die Entwicklung im Betrieb besprochen werden soll (§ 82 Abs. 2 BetrVG), also beim klassischen Personalgespräch. In dieser Regelung heißt es auch, dass jeder den Anspruch hat, “Berechnung und Zusammensetzung” des Gehalts/Lohns vom Arbeitgeber erläutert zu bekommen. Streit ist jetzt in einem Fall entstanden, in dem ein Mitarbeiter bei der Diskussion um die Tätigkeitsbeschreibung (nach ERA) ebenso ein BR-Mitglied dabei haben wollte. Immerhin ging es darum, wie sich die Bewertung der Arbeit auf die Eingruppierung auswirkt. Weil der Arbeitgeber eine solche BR-Teilnahme ablehnte, kamen viele dieser Gespräche nicht zustande. Der Betriebsrat zog daraufhin vor das Arbeitsgericht um feststellen zu lassen, dass der Arbeitgeber solche Gespräch nicht verweigern konnte, wenn die Beschäftigten es wünschten. Das Bundesarbeitsgericht gab dem Betriebsrat recht (Beschl. v. 20.04.2010; 1 ABR 85/08).

Auch Klage in Stellvertretung möglich

Geklärt wurde auch, dass der Betriebsrat in solchen Fällen die Rechte der Beschäftigten vor Gericht einfordern konnte (sog. Prozessstandschaft). Grundsätzlich meinte das BAG: Es gehe schließlich um die Befriedung in einem besonders wichtigen Bereich, nämlich der Vergütung. Der Arbeitnehmer müsse die Möglichkeit haben, seine evtl. unterschiedliche Sichtweise über die tatsächlichen Arbeiten einzubringen.

Teilzeit

Neueinstellungen nicht nur in Teilzeit – Betriebsrat kann Zustimmung verweigern

“Die Zustimmungsverweigerungen des Betriebsrats zur Einstellung von neuen Ar-beitnehmern ist begründet, wenn ein Arbeitgeber mit seinem Konzept, nur Arbeit-nehmer in Teilzeit zu beschäftigen, den Anspruch auf Erhöhung der Arbeitszeit nach § 9 TzBfG unterläuft”, so entschied jetzt das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (Beschluss vom 21. März 2013 – 6 TaBV 9/12). Der Betriebsrat bei UPS hatte die Zustimmung zu weiteren Einstellungen verweigert.
Der international tätige Paketlogistiker UPS will am Standort Ditzingen Arbeitnehmer nur in einer von drei Schichten in Teilzeit mit einer Wochenarbeitszeit von 17 Stunden beschäftigen und lehnt Arbeitszeiterhöhungen auf 34 Stunden pro Woche in zwei Schichten grundsätzlich ab. Der Betriebsrat verweigerte daher in mehr als hundert Fällen seine Zustimmung zur Einstellung von neuen Arbeitnehmern auf Einschicht-Arbeitsplätze mit 17 Wochenstunden, weil er dar-in eine Benachteiligung der aufstockungswilligen Arbeitnehmer sah. Gemäß § 99 BetrVG kann der Betriebsrat die Zustimmung zur Einstellung eines Arbeitnehmers verweigern, wenn diese gegen ein Gesetz verstößt.
Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg muss die Organisationsentscheidung des Arbeitgebers sachlich gerechtfertigt sein. Eine Einschränkung der Flexibilisierung des Personaleinsatzes mit Mehrarbeit durch Doppelschichtarbeitsplätze sei nicht erkennbar. Ein erhöhter Organisationsaufwand in Vertretungsfällen wie Urlaub und Krankheit sei hinzunehmen. Höhere Krankenstände und eine größere Zahl von Betriebsunfällen in den Doppelschichten seien nicht zwingend auf die höhere Arbeitszeit zurückzuführen.
UPS unterlaufe daher mit seinem Konzept, nur Arbeitnehmer in Teilzeit zu beschäftigen, den Anspruch auf Erhöhung der Arbeitszeit nach § 9 TzBfG. Gemäß § 9 TzBfG hat ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer bei Besetzung eines entsprechenden freien Arbeitsplatzes grundsätzlich einen Anspruch auf Verlängerung seiner Arbeitszeit. Die Zustimmungsverweigerung des Betriebsrates sei daher begründet.

Überstunden

Überstunden – Mitbestimmung bei Pauschalvergütung

“Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates gem. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG wird verletzt, wenn ein Arbeitgeber nach Kündigung einer Betriebsvereinbarung, die Freizeitausgleich für Mehrarbeit vorsieht, mit neu eingestellten Arbeitnehmern formularmäßig die Abgeltung etwaiger Mehrarbeit durch die Jahrespauschalvergütung vorsieht.” Der Fall: Der Arbeitgeber hatte nach Kündigung einer Betriebsvereinbarung, die Freizeitausgleich für Mehrarbeit vorsieht, mit neu eingestellten Arbeitnehmern formularmäßig die Abgeltung etwaiger Mehrarbeit durch die Jahrespauschalvergütung vorgesehen.

Mitbestimmung weil neue Entlohnungsgrundsätze

Das LAG Hessen hat hier erkannt, dass “neue Entlohnungsgrundsätze” aufgestellt werden, wenn der Arbeitgeber die Höhe der Vergütung losgelöst vom Umfang der dafür als Gegenleistung zu erbringenden Arbeitszeit festlegt. Nicht gefolgt wurden dem Argument des Arbeitgebers, der Betriebsrat mache mit seinem Begehren einen unzulässigen Anspruch auf Mitbestimmung der Lohnhöhe geltend. Das Gericht: “Die Arbeitgeberin bestimmt mit der formularvertragsmäßigen Einführung einer Pauschalmehrarbeitsvergütung die Strukturformen des Entgelts in mitbestimmungspflichtiger Weise.”

Lohnfindungssystem verändert

Denn schließlich “veränderte die Arbeitgeberin ihr Lohnfindungssystem, das einen Bezug zur Dauer der erbrachten Arbeitsleistung hatte in ein solches, das eine Lohnfindung unabhängig vom Umfang der Arbeitsleistung vorsieht. Auch unter diesem Gesichtspunkt verstößt die Verfahrensweise der Arbeitgeberin daher gegen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats.” (Hess. LAG, Beschl. v. 15.01.2009 – 5 TaBV 140/08)

Umkleidezeit

Umkleidezeit – mitbestimmungspflichtige Arbeitszeit

Zeiten für das An- und Ablegen der Dienstkleidung gehören zur Arbeitszeit nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG, wenn das Umkleiden in den Betriebsräumen erfolgt. Der Betriebsrat hat deshalb bei der Festlegung der Lage dieser Umkleidezeiten mitzubestimmen, so das Bundesarbeitsgericht in einer Entscheidung vom 12.11.2013. Kleiden sich die Arbeitnehmer innerhalb des Betriebs um, handelt es sich um Arbeitszeit, die in den Dienstplänen für das Fahrpersonal zu berücksichtigen ist. Nur wenn die Arbeitskleidung zu Haus angelegt wird, handelt es sich nicht um Arbeitszeit – außer die Kleidung ist besonders auffällig und werbend. In dem jetzigen Fall der S-Bahn Hannover ging es zusätzlich um die Ausgabe von Arbeitsmitteln (mobiles Terminal, Zangendrucker, Zahlungsmittel sowie unbedruckte Fahrscheine). Auch deren Empfang und Abgabe sowie das Bereitmachen des mobilen Terminals stellen Arbeitszeit dar, so das Gericht.

Unterlassungsanspruch

Unterlassung durch den Arbeitgeber

Der Betriebsrat hat einen Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch bei Verletzung seines Mitbestimmungsrechts durch den Arbeitgeber hinsichtlich Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen einer Arbeitnehmerin. Dieser Anspruch kann im Wege der Einstweiligen Verfügung durchgesetzt werden. Dies gilt auch, wenn nur im Einzelfall (alleinerziehende Mutter) eine Verschiebung in den Spätdienst erfolgt. (Landesarbeitsgericht Hamburg v. 28.01.2010 – 7 TaBVGa 2/09)

Urlaub

Urlaubsentgelt und Provisionen – Europäischer Gerichtshof regelt neu

Bei der Höhe des Urlaubsentgelts sind auch regelmäßige Provisionen zu berücksichtigen. Das Urlaubsentgelt berechnet sich nicht nur nach dem Grundgehalt des Arbeitnehmers, sondern auch nach regelmäßig ausgezahlten Provisionen. Ein finanzieller Nachteil darf auch nicht in der Form hinausgeschoben werden, dass zwar vor dem Urlaub schon verdiente Provisionen mit dem Urlaubsentgelt ausgezahlt werden, sich aber für die Zeit nach dem Urlaub eine Gehaltseinbuße ergibt, weil während des Urlaubs keine Provisionen verdient wurden.

Die Entscheidungsgründe des Gerichts:

Bezieht ein Arbeitnehmer – wie hier – eine Provision, die sich nach getätigten Verkäufen bemisst, so ist diese in die Berechnung des Urlaubsentgelts einzubeziehen. Der finanzielle Nachteil darf auch nicht hinausgeschoben werden, indem der Arbeitnehmer nach seinem Urlaub nur das Grundgehalt bezieht, weil er während des Urlaubs keine Verkäufe tätigen und damit auch keine Provision verdienen konnte. Dass solche Provisionen anzurechnen sind, ergibt sich aus dem Zweck der Arbeitszeit-Richtlinie (RL 2003/88/EG). Mit dem hier manifestierten Anspruch auf einen bezahlten Mindesturlaub von vier Wochen pro Jahr soll die Erholung der Arbeitnehmer sichergestellt werden. Dieser Zweck kann nur erreicht werden, wenn das während des Urlaubs gezahlte Gehalt mit dem in Zeiten geleisteter Arbeit vergleichbar ist. Denn finanzielle Einbußen während des Urlaubs können dazu führen, dass Arbeitnehmer auf den Urlaub verzichten. Für die Berechnung des Urlaubsentgelts kann auf einen Mittelwert aus einem nach dem nationalen Recht als repräsentativ geltenden Referenzzeitraum abgestellt werden.

Der Hintergrund:

In Deutschland existiert mit § 11 Abs. 1 Satz 1 BUrlG bereits eine den Vorgaben des EuGH entsprechende gesetzliche Regelung. Hiernach bemisst sich das Urlaubsentgelt nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst, das der Arbeitnehmer in den letzten dreizehn Wochen vor dem Beginn des Urlaubs erhalten hat, mit Ausnahme des zusätzlich für Überstunden gezahlten Arbeitsverdienstes. Bedeutung hat die EuGH-Entscheidung aus deutscher Sicht daher vor allem für hiesige Unternehmen mit Tochtergesellschaften in solchen EU-Ländern, in denen Provisionen gezahlt werden. (Quelle: EuGH Pressemitteilung Nr. 76/14 vom 22.5.2014 Aktenzeichen: C-539/12)

Vergütung

Vergütung – Mitbestimmung beginnt “unten” – auch bei der Vergütung

Zurück zu den Wurzeln, könnte man meinen. Welcher Betriebsrat – BR oder GBR – zuständig ist, kann eine lebhaft zu diskutierende Frage sein. In der jetzt veröffentlichten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ging es um den Streit, ob eine Vergütungsordnung für Außertarifliche Angestellte vom GBR oder eben vom BR mitzubestimmen ist. Der Arbeitgeber hatte eine Einigungsstelle angerufen, Mitglieder des GBR auch daran teilgenommen, der GBR aber später die Entscheidung angefochten. Das BAG folgte der Anfechtung und machte deutlich, eine solche AT-Vergütungsordnung müsse mit dem jeweiligen örtlichen Betriebsrat vereinbart werden, weil es kein zwingendes Erfordernis für eine betriebsübergreifende Regelung gäbe (Beschl. v. 18.05.2010 – 1 ABR 96/08).

GBR zuständig bei “freiwilligen” Leistungen

Interessant auch die Ausführungen zur generellen Abgrenzung: Der GBR sei etwa dann zuständig, wenn der Arbeitgeber mitbestimmungsfrei darüber entscheiden kann, ob er eine Leistung überhaupt erbringt (und deshalb auf eine überbetriebliche Regelung drängt). Die Vergütung von AT-Angestellten sei aber keine freiwillige Leistung, also ein Mitbestimmungsfall nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Dem Arbeitgeber steht nicht frei, ob er die AT-Angestellten vergüten will oder nicht. Auch wenn der Arbeitgeber auf einem an Leistung und Zielerreichung orientierten System besteht, kann hierfür jeweils eine betriebliche Regelung geschaffen werden. Die Entscheidung hat natürlich Auswirkungen auf alle finanziellen Leistungen eines Arbeitgebers. Auch Regelungen zur Vergütung von Bereitschaftszeiten oder Fahrtzeiten können jetzt in der Zuständigkeit des jeweils örtlichen Betriebsrates liegen.

Versetzung

Versetzung, dringend

Betriebsrat muss auch bei dringender Versetzung mitbestimmen
“Auch wenn ein Arbeitnehmer auf eine andere Tätigkeit im Betrieb drängt, darf der Betriebsrat nicht übergangen werden.” Darauf weist das Bundesarbeitsgericht in einem aktuellen Urteil hin.
Der Fall: Der Mitarbeiter des betreffenden Finanzdienstleisters war in einer Filiale für die sog. Masterkasse zuständig. Weil er sich nach eigenem Bekunden mit dieser Aufgabe auf Dauer überfordert fühlte, beschloss das Unternehmen, den Mann anderweitig einzusetzen.
Obwohl diese Maßnahme in der nächsten turnusmäßigen Betriebsratssitzung nicht mehr behandelt werden konnte, wurde sie kurzfristig umgesetzt. Das Unternehmen begründete diesen Schritt damit, dass es sich um einen Notfall gehandelt habe. Der Betriebsrat hätte deshalb nicht beteiligt werden müssen.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) gab dem Antrag des Betriebsrats auf Unterlassung der Maßnahme statt.

Ausnahme nur in Extremsituation

In ihrer Begründung verwiesen die Richter auf die bisherige Rechtsprechung: Demnach könnte zwar in Extremsituationen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 99 BetrVG eingeschränkt oder ausgeschlossen sein. Dies sei jedoch nur dann anzunehmen, wenn der Betriebsrat in einer unvorhersehbaren und schwerwiegenden Situation nicht erreichbar ist oder nicht rechtzeitig einen Beschluss fassen kann. Der Arbeitgeber sei dann auch zum sofortigen Handeln berechtigt, wenn nur so irreparable Schäden von Betrieb oder Belegschaft abgewendet werden können. Eine solche Ausnahmesituation habe das Unternehmen im vorliegenden Fall aber nicht behauptet. (BAG, Beschluss vom 19.01.2010 – 1 ABR 55/08)