Rechtsprechung für den BR

Weihnachtsgeld

Weihnachtsgeld – trotz Kündigung der Betriebsvereinbarung

Arbeitgeber können auch bei Kündigung der entsprechenden Betriebsvereinbarung zur Zahlung von Weihnachtsgeld verpflichtet sein
Eine Betriebsvereinbarung, in der sich der nicht tarifgebundene Arbeitgeber zur Zahlung eines Weihnachtsgelds verpflichtet hat, wirkt nach ihrer Kündigung gemäß § 77 Abs.6 BetrVG nach, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt wird. Dies hat das Bundesarbeitsgericht jetzt ausdrücklich für nicht-tarifgebundene Arbeitgeber festgestellt.
Der Fall: Die Klägerin ist seit 1994 in einem Senioren- und Pflegezentrum beschäftigt. Sie erhielt seit Beginn des Arbeitsverhältnisses ein Weihnachtsgeld in Höhe eines Monatsgehalts. Rechtsgrundlage hierfür war eine Betriebsvereinbarung. Diese kündigte die Beklagte fristgerecht zum 31.12.2001. Nachdem die anschließenden Verhandlungen mit der Gewerkschaft ver.di über einen Haustarifvertrag im Herbst 2005 gescheitert waren, stellte die Beklagte die Weihnachtsgeld-Zahlungen ein.
Mit ihrer Klage verlangte die Klägerin die Zahlung des Weihnachtsgelds für das Jahr 2005. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Auf die Revision der Klägerin hob das BAG diese Entscheidungen auf und gab der der Klage statt.
Das BAG hierzu:
“Da nicht tarifgebundene Arbeitgeber mitbestimmungsrechtlich die gesamte Vergütung “freiwillig” leisten, führt der Wegfall des Weihnachtsgelds zu einer mitbestimmungspflichtigen Änderung der Entlohnungsgrundsätze, so dass § 77 Abs.6 BetrVG einschlägig ist.
Zwar ist die Betriebsvereinbarung, die Rechtsgrundlage der Zahlung war, wirksam gekündigt. Die Betriebsvereinbarung wirkt aber nach. Die Nachwirkung gemäß § 77 Abs.6 BetrVG betrifft Angelegenheiten, die der zwingenden Mitbestimmung des Betriebsrats unterfallen. Im Streitfall ergibt sich ein solches Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs.1 Nr.10 BetrVG, da die Streichung des Weihnachtsgelds zur Änderung der Entlohnungsgrundsätze im Betrieb geführt hat.

Streichung von Vergütung ist mitbestimmungspflichtig

Während § 87 Abs.1 Nr.10 BetrVG bei tarifgebundenen Arbeitgebern – wegen des Tarifvorrangs – nur hinsichtlich des freiwillig geleisteten übertariflichen Teils der Vergütung Anwendung findet, leistet ein nicht tarifgebundener Arbeitgeber sämtliche Vergütungsbestandteile “freiwillig”, solange er die Arbeit überhaupt vergütet, und kann daher bei jeder Streichung eines Vergütungsbestandteils zur Beteiligung seines Betriebsrats verpflichtet sein. Im Streitfall war mit der Streichung des Weihnachtsgelds keine gleichmäßige Absenkung des Vergütungsniveaus verbunden. Dies ergibt sich schon daraus, dass Teile der Gesamtvergütung nicht mehr als zusätzliche Einmalzahlung zu einem bestimmten Datum geleistet werden sollten. Daher lag eine mitbestimmungspflichtige Änderung der Entlohnungsgrundsätze und folglich auch eine zwingende Angelegenheit der Mitbestimmung im Sinn von § 77 Abs.6 BetrVG vor. Die Klägerin hat gegen die Beklagte weiterhin einen Anspruch auf Zahlung von Weihnachtsgeld. (BAG v. 26.08.2008 – 1 AZR 354/07)
Merke: Es ist ein Rechenexempel festzustellen, dass hier die Summe der Einzelvergütungen (einschl. Weihnachtsgeld) bei Streichung des Weihnachtsgeldes nicht mehr “im selben Verhältnis” wie früher gezahlt wird. Hätte der Arbeitgeber einheitlich z.B. 7 % der Gesamtvergütung bei allen gestrichen, wäre es allerdings wohl “ausgewogen im Sinne der Rechtsprechung”.

Widerspruch Kündigungen

Betriebsrat – Widerspruch bei betriebsbedingter Kündigung

Ob der Betriebsrat verpflichtet ist, bei einer Rüge der Sozialauswahl andere Arbeitnehmer konkret zu benennen, hatte das Landesarbeitsgericht Hamburg zu entscheiden. Das Gericht: Rügt der Betriebsrat mit seinem Widerspruch eine betriebsbedingte Kündigung wegen fehlerhafter Sozialauswahl, ist er nicht verpflichtet, weniger schutzwürdige Arbeitnehmer konkret zu benennen. In dem Fall ging es um die Weiterbeschäftigung eines gekündigten Mitarbeiters und der Betriebsrat hatte nur die Vergleichsgruppe der “Consultants” angegeben. Dort seien “sozial weniger Schutzwürdige”.

Mit dem Finger auf andere?

Das Gericht meinte, es sei ausreichend, dass die vom Betriebsrat genannten Tatsachen zusammen mit anderen Tatsachen einen Widerspruchsgrund ergeben können. Daher genüge die Rüge des Betriebsrats, dass nicht alle vergleichbaren Arbeitnehmer in die Sozialauswahl einbezogen worden sind. Er müsse zwar den Kreis der betroffenen Beschäftigten hinreichend bestimmt bezeichnen, nicht jedoch einzelne Mitarbeiter benennen, denen der Arbeitgeber an Stelle des betroffenen Arbeitnehmers kündigen musste.
Diese Entscheidung steht gegen die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG). Die Erfurter Richter hatten geurteilt, dass ein ordnungsgemäßer Widerspruch verlange, weniger schutzwürdige Arbeitnehmer konkret zu benennen (Urteil des BAG vom 09.07.2003, Az.: 5 AZR 305/02).
Das LAG jetzt: “Bereits mit der Benennung einer Vergleichsgruppe im Rahmen der Sozialauswahl widerspreche der Betriebsrat ordnungsgemäß.” Die falsche Bestimmung der Vergleichsgruppe bei der Sozialauswahl könne zusammen mit anderen Tatsachen ohne weiteres die Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl begründen, wenn Beschäftigte aus der nicht berücksichtigten Gruppe stärkere Sozialdaten als der gekündigte Arbeitnehmer hätten. (LAG Hamburg, Urteil vom 23.07.2010 – 1 SaGa 3/10)

Zielvereinbarungen

Auskunftsanspruch BR über Zielvereinbarungen

Das LAG Berlin-Brandenburg hat den Auskunftsanspruch des BR gemäß § 80 Abs. 2 S. 2 Halbsatz 1 BetrVG über abgeschlossene Zielvereinbarungen bestätigt. Der BR hat einen Anspruch darauf, dass ihm für das jeweilige Kalenderjahr zu jedem Arbeitnehmer des Betriebes, der in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis steht, zur Verfügung zu stellen sind: Vor- und Zuname, individuelle Ziele, Zuordnung dieser Ziele zu den Zielarten und Priorisierung dieser Ziele gemäß der abgeschlossenen GBV (Personal Business Commitments), und zwar entweder durch die Übergabe von Unterlagen oder durch die Übermittlung von Daten oder durch die dauerhafte Gewährung des Zugriffs auf die PBC-Daten in den entsprechenden Systemen. Das Gericht verwies darauf, dass eine Unterrichtung mit anonymisierten Daten nicht ausreichend ist. Die entsprechenden Unterlagen sind dem BR auch auszuhändigen. Das Gericht: “Unterlagen im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 BetrVG sind die beim Arbeitgeber vorhandenen schriftlichen Aufzeichnungen. Zu diesen gehören auch die bei ihm in Datenverarbeitungsanlagen vorhandenen Dateien, die der vorlageverpflichtete Arbeitgeber auszudrucken und dem Betriebsrat auszuhändigen hat. Verlangt der Betriebsrat die Kenntnis von Angaben aus einer konkreten Datei, kann der Arbeitgeber seiner Vorlagepflicht auch durch das Einräumen einer stichtagsbezogenen Leseberechtigung genügen, wenn er zugleich sicherstellt, dass die betroffene Datei in diesem Zustand dem Betriebsrat für die Ausübung seines Überwachungsrechts zugänglich bleibt.”
(LAG Berlin-Brandenburg v. 04.05.2016 – 14 TaBV 2163/15).

Die unvollendete Zielvereinbarung – LAG Nürnberg erkennt Schadenersatz

Eine Zielvereinbarung muss bekanntlich – so der Name – “vereinbart” werden. Was aber, wenn sich Verhandlungen darüber hinausziehen oder schlicht keine Einigung erzielt wird? Mit einem solchen Fall hatte sich das Landesarbeitsgericht Nürnberg zu beschäftigen. Das Gericht stellte fest: “Einem Arbeitnehmer steht ein Schadensersatzanspruch zu, wenn es zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber in einem Kalenderjahr nicht zum Abschluss einer Zielvereinbarung kommt, obwohl sich beide Parteien zuvor vertraglich verpflichtet haben, eine variable Vergütung zu vereinbaren.”
In dem Fall hatten sowohl der Arbeitgeber als auch die Arbeitnehmerin einen Vorschlag für die abzuschließende Zielvereinbarung für das Kalenderjahr 2012 gemacht, der vom jeweiligen Anderen nicht akzeptiert wurde. Eine gemeinsame Festlegung der im Kalenderjahr 2012 von der Arbeitnehmerin zu erreichenden Ziele und auch der Höhe der für die Zielerreichung versprochenen Prämie unterblieb. Nach Ablauf des Kalenderjahres 2012 klagte die Arbeitnehmerin auf Schadensersatz für die entgangene erfolgsabhängige Vergütung. Das Gericht gab ihr Recht. Der Arbeitgeber sei verpflichtet, ein angemessenes Angebot einer Zielvereinbarung zu machen, das hinsichtlich der gegenseitigen Interessen ausgewogen sein müsse. Angesichts der geplanten Geschäftsentwicklung und der realen Geschäftsdaten der Vorjahre sowie des abgelaufenen Jahrs 2012 bewertete das Landesarbeitsgericht das Verhandlungsangebot des Arbeitgebers als nicht ordnungsgemäß. Da auch eine Einigung über die Höhe der Zielprämie unterblieben war, schätzte das Gericht den eingetretenen Schaden. Im Ergebnis musste der Arbeitgeber Schadenersatz in der Höhe zahlen, die der Prämie des Vorjahres entsprach.
(LAG Nürnberg, Urteil vom 3. Dezember 2015 – 5 Sa 453/14)